Schimmerndes Pastell
Der Showroom von „Andrews & Martin“ verbreitet gediegenes britisches Flair. Ein halbes Dutzend Schneiderpuppen zeigen, wie sich ein Gentleman zu kleiden hat. Jacken und Hosen sind in gedeckten Grau- oder Brauntönen gehalten, die Hemden dazu schimmern in Pastell. Allein Krawatten und Einstecktücher dürfen auch mal knallig rot oder blau sein.
„Ich sehe meine Arbeit in der Tradition der Maßschneider der Savile Row“, sagt Andreas Weidlich. Londons Straße gilt als „Goldene Meile des Schneiderns“. In den alten Handwerksbetrieben nehmen die Maßschneider bei ihren Kunden, zu denen auch Prince Charles gehört, 27 verschiedene Maße und fertigen daraus ein individuelles Schnittmuster. Das Ergebnis sind, drei Anproben und viele Arbeitsstunden später, perfekt sitzende Anzüge, die nie unschöne Falten werfen.
„Andrews & Martin“ ist nicht ganz so britisch und traditionsverhaftet, wie Name und Logo suggerieren. Der Firmenname ist eine anglophile Wortspielerei aus den beiden Vornamen des Ladeninhabers, die Zahl „1963“ im Logo ist sein Geburtsjahr. Das Maßband ist zwar Andreas Weidlichs wichtigstes Utensil, Schneiderschere und Stoffbahnen aber sind nur Requisite. Denn sämtliche Maße werden einer Manufaktur in Süddeutschland übermittelt, die Anzüge, Hemden und Kostüme fertigt. Ein handgenähter Maßanzug aus der Savile Row ist nicht unter 3000 Euro zu haben. Bei „Andrews & Martin“ kosten Anzüge ab 550 Euro aufwärts.
Andreas Weidlich machte sich vor vier Jahren selbstständig. Mit Kleidung, besser gesagt, hochwertiger und angemessener Kleidung, hatte er sich allerdings schon sein ganzes Leben beschäftigt. Sein Vater war gelernter Weber, der später in der Kunststoffindustrie arbeitete. „Auch wenn er beruflich nichts mit Textilien zu tun hatte, vermittelte mein Vater mir immer ein Gefühl dafür, was es bedeutet, korrekt gekleidet zu sein“, sagt Andreas Weidlich, der in Frohnau aufwuchs.
Während einer Lehre als Industriekaufmann machte er die Erfahrung, „dass es Spaß machen kann einen Anzug zu tragen, wenn er passt.“ Nach dem BWL-Studium gründete Andreas Weidlich ein Personalentwicklungsunternehmen für Führungskräfte. Die Firma florierte. Vor fünf Jahren verkaufte Andreas Weidlich seine Anteile. „Und plötzlich hatte ich die Hände frei, um etwas zu machen, was mich interessiert und fasziniert.“ Da ihm das handwerkliche Know-how zunächst fehlte, absolvierte er diverse Kurse, bei denen er in die Geheimnisse der Maßkonfektion eingeführt wurde. Kommt zum Beispiel ein Mann mit einem ganz markanten Gang in den Laden, weiß Weidlich, dass bei der Anfertigung „Code 108“ angewendet werden muss. „Nach hinten gedrücktes Gesäß“ heißt das Problem. Die Lösung besteht darin, dass das Rückenteil exakt 1,6 Zentimeter kürzer als üblich sein muss. Die meisten Kunden gehen zum Schneider, weil sie es müssen. Nicht weil sie es wollen. Zu dicker Bauch, zu breite Schultern, zu langer Hals. Die Liste der Problemfiguren ist lang.